Kooperative Gesamtschule Hambergen stellt sich neu auf
Neues pädagogisches Konzept, altes Schulgebäude und mehr Konkurrenz: Die KGS Hambergen muss sich neu aufstellen. Mehr als ein Jahr lang war sie ohne feste Leitung – bis jetzt.
Hambergen. Jan Wesseling lebt mit seiner Frau und zwei Kindern in Hambergen. Die Entscheidung in die Gemeinde zu ziehen war eher Zufall, wie der gebürtige Achimer erzählt. „Wir haben den Finger auf die Karte gelegt“, schildert er den Vorgang. Seine Frau arbeitete 2014 in Bremen, er war Lehrer in Bremerhaven. Also suchten sie einen zentralen Wohnort, der beiden einen einfache Fahrt zur Arbeit ermöglichte. Erst vier Jahre nach dem Umzug entdeckte Wesseling ein Stellenangebot für die Kooperative Gesamtschule (KGS) in Hambergen. Gesucht wurde ein Leiter des Hauptschulzweiges. „Ich konnte mir vorstellen, an einer KGS zu arbeiten“, erinnert sich Wesseling. Seine Bewerbung war erfolgreich. Seit einigen Wochen ist er nun Leiter der KGS.
Lange Wartezeit
Mit seiner Ernennung geht eine lange Wartezeit zu Ende: Seit dem Weggang der bisherigen Leiterin Gitta Brede im November 2021 war die KGS ohne feste Leitung, weil auch der stellvertretende Schulleiter Fred Baltrusch einige Zeit zuvor pensioniert wurde. Mehr als ein Jahr wurde die KGS von Janett Pundsack als Leiterin und Jan Wesseling als Stellvertreter kommissarisch geleitet.
Wesseling hatte sich danach zügig um die Stelle beworben. „Mir ist die Schule ans Herz gewachsen“, sagt er. Er habe sich von Anfang an wohlgefühlt. Das Kollegium habe sich positiv entwickelt und die Zusammenarbeit mit den Kollegen, aber auch mit dem Schulelternrat sowie der Schülervertretung sei sehr gut. Ihm schwebt eine Schule auf Augenhöhe vor. Parallel zu ihm bewarb sich Birger Hufe um die Stelle als stellvertretender Schulleiter. Während es bei Hufe dann relativ schnell ging, zog sich die Ernennung des neuen Gesamtschuldirektors, wie der Schulleiter behördlich korrekt genannt wird, hin. Es habe nach der Ausschreibung zu wenige Bewerbungen von Frauen gegeben, war zu hören. Die Quote stimmte nicht. Es folgte eine zweite Ausschreibung, aus der nun Jan Wesseling erfolgreich hervorging.
Kein günstiger Zeitpunkt
Die Vakanz fiel in eine schwierige Zeit. Zum einen plant die Samtgemeinde Hambergen, das Schulgebäude zu sanieren und wohl teilweise auch zu ersetzen. Es ist für die Samtgemeinde ein „historisches Vorhaben“, wie der erste Samtgemeinderat Marco Ehrichs sagt. Und Samtgemeindebürgermeister Gerd Brauns mahnt: „Wir haben nur einen Versuch.“ Der Umbau muss gelingen, heißt das. Entsprechend eng erfolgte die Abstimmung mit der Schule, was ohne offiziellen Schulleiter schwierig war. Zudem war es insgesamt eine unruhige Situation. Mehrere Ereignisse haben die KGS ein wenig ins Schwanken gebracht.
13 Jahre lang führte Ellin Nickelsen die Geschicke der KGS. In dieser Zeit war die Schule sehr gefragt, viele Eltern umliegender Gemeinden, auch aus dem Landkreis Cuxhaven, schickten ihre Kinder nach Hambergen. Doch 2016 zog es Nickelsen zur Schulbehörde nach Lüneburg. Ihr Nachfolger, Andreas Groch, hatte offenbar kein gutes Händchen für die Gesamtschule. Unter anderem gab es Spannungen zwischen ihm und dem Schulförderverein. Kein Jahr später wurde bekannt, dass Groch die Schule verlässt.
Unerwarteter Weggang
Seine Nachfolgerin, Gitta Brede, war 2018 nach Hambergen gekommen und stark in die Planung der Gebäudesanierung eingebunden. Gleichzeitig feilte sie am Profil und am Konzept der Kooperativen Gesamtschule. Die Schülerzahlen gingen zeitweise zurück – ein Grund soll Corona gewesen sein. Es tauchte aber die Frage auf, ob das Konzept noch stimme und Eltern vielleicht konservative Schulen bevorzugten. Bredes Weggang kam dann kurzfristig und unerwartet. „Wir haben im Team versucht, die Schule wieder in ruhiges Fahrwasser zu bringen“, sagt Jan Wesseling.
Zusammen richtete das „Team“ im vergangenen Jahr die KGS neu aus und verabschiedete ein neues pädagogisches Konzept. Es sieht unter anderem vor, die Schulzweige zu stärken. Das trifft nicht überall auf Zustimmung. Denn an der KGS sollen Klassen künftig wieder nach Schulzweigen sortiert werden, was für manchen, der am ursprünglichen Konzept der Schule mitgearbeitet hat, einer Verwässerung des Gesamtschulgedankens gleichkommt. Doch Jan Wesseling verteidigt den Schritt.
Neues pädagogisches Konzept
Das pädagogische Konzept sei damals bei der Gründung die richtige Schulform gewesen – heute aber nicht mehr, glauben Wesseling und seine Kollegen. Sie hätten bei der Erarbeitung der neuen Ausrichtung darauf geschaut, was in Hambergen funktioniert und am besten für den Standort ist. Die Eltern wollten wieder eine klassische Richtung. Schüler und Eltern würden die Veränderungen mittragen. „Das Konzept stößt überall auf gute Resonanz“, sagt Jan Wesseling. Das gelte auch für die Grundschulen.
Im Realschulzweig könne die Schule künftig beispielsweise die Profile Technik, Wirtschaft sowie Gesundheit und Soziales anbieten. In der Hauptschule wäre mehr Berufsorientierung möglich. „Wir suchen die Kooperation mit den Berufsbildenden Schulen“, führt Wesseling dazu an. Vor einem Neustart stehe auch die Schülerfirma.
„Gute Unterrichtsversorgung“
Eine positive Wirkung der neuen Ausrichtung sei laut Wesseling bereits zu bemerken. „Wir sind eine Alternative für Lehrer.“ Die KGS biete ihnen vielfältige Möglichkeiten. Diesen Monat hätten bereits vier neue Kollegen bei der KGS angefangen und weitere seien noch „in der Pipeline“. Damit sehe es auch bei der Unterrichtsversorgung gut aus, die „Studientage“ seien vorbei. Wegen eines hohen Krankenstands hatte die KGS zeitweise solche eingeführt. Alle vier Wochen blieben die Schülerinnen und Schüler an zwei Tagen zu Hause und bekamen dafür spezielle Aufgaben. „Wir sind eine Bus-Schule“, führt Wesseling an. Bei täglich verteilten Stundenausfällen wären die Schüler nicht früher weggekommen. So konnten die Eltern besser planen.
Trotz der Neuausrichtung soll es bei dem Gebäudekonzept für die Sanierung bleiben. Geplant seien Jahrgangscluster mit Klassenräumen, Differenzierungsräumen und einem Markt der Möglichkeiten. Letzterer ist dafür gedacht, selbstständiges Arbeiten zu ermöglichen. Die Jahrgänge sollen räumlich beieinander sein. In den niedrigeren Jahrgängen werde der Markt den Plänen zufolge kleiner ausfallen, die Klassenräume seien dafür relativ groß. Das Verhältnis ändere sich in den folgenden Jahrgängen zugunsten des Marktes. Die Selbstständigkeit soll mit der Jahrgangshöhe immer weiter an Bedeutung zunehmen, erläutert Wesseling. Dafür würden andere Räume gebraucht.
Peter von Döllen
Quelle: https://www.weser-kurier.de/landkreis-osterholz/neuer-schulleiter-jan-wesseling-kgs-hambergen-stellt-sich-neu-auf-doc7orv6t2ku5fv31k84tp (erschienen am 16.02.2023).